geschrieben von Mischa in Port en Bessin, Frankreich · 16.08.2014 · 5 Kommentare ·

Seit Wochen gibt es im Englischen Kanal nur eine Windrichtung: West. Mal stärker, mal schwächer, aber immer genau aus der Richtung, in die wir eigentlich wollen. Trotzdem wollen wir weiter und werfen deshalb Mittwoch Vormittag in Dieppe die Leinen los. Wir wollen nach Le Havre, eigentlich eine gemütliche Strecke von 50 Seemeilen, nur kann man leider nicht gegen den Wind segeln, und wir müssen daher kreuzen (das bedeutet, in einem Zick-Zack-Kurs abwechselnd einmal rechts und einmal links soweit eben möglich schräg zum Wind zu segeln, um dadurch ein bisschen Fahrt gegen den Wind zu machen). Natürlich dauert das ewig, und die zu segelnde Strecke wächst um ein Mehrfaches. Hier kommt dann auch noch die Strömung dazu, und so segeln wir oft stundenlang quasi auf der Stelle und müssen aufpassen, unsere mühsam Richtung Westen erkämpften Meilen nicht wieder zu verlieren. Irgendwann schläft der Wind dann aber ein, und wir starten den Motor und kommen dann doch irgendwann am nächsten Tag in Le Havre an. Ziemlich erschöpft schlafen wir uns erstmal aus, bevor wir uns einem neuen Problem widmen: In Dieppe ist uns nämlich das Gas für die Küche ausgegangen. Le Havre ist der zweitgrößte französische Hafen (nach anderen Quellen der größte) und DAS Segelsportzentrum Frankreichs, da müsste man doch leicht Ersatz für unsere Gasflasche finden können, denken wir, aber weit gefehlt! Stundenlang wandern wir quer durch die Stadt und fragen in allen Segelgeschäften und Tankstellen, aber eine Flasche mit den gleichen Maßen wie unsere aus Deutschland importierte Flasche finden wir nirgends. Unser Gasflaschenkasten ist zwar genau für solche Flaschen bemessen, aber wir müssen improvisieren, messen genau aus, wieviel Platz wir haben, und ich mache mich dann mit einem Zollstock bewaffnet nochmal auf den Weg zum Baumarkt. Ich finde auch ein passende Propanflasche und schaffe es, mit meinem mickrigen Französisch den nicht englisch sprechenden Verkäuferinnen klarzumachen, dass ich eine solche kaufen will. Die sind alles andere als glücklich drüber, denn anscheinend ist Gaskauf mit viel Schreibkram verbunden. Ich muss ein kompliziertes Formular ausfüllen, von dem ich wenig bis gar nichts verstehe, aber ich unterschreibe und bekomme die Gasflasche ausgehändigt. Dazu geben sie mir noch einen passenden Druckregler, der hat aber erstens 37 mbar statt den 30 die wir brauchen, außerdem passt unser Schlauch nicht drauf. Also versuche ich das den mittlerweile vier Angestellten um mich herum zu erklären, ein Verkäufer versteht anscheinend, ich gebe die 6kg-Gasflasche bei der verdutzen Kassiererin ab und gehe wieder ins Geschäft. Der Angestellte begleitet mich und redet pausenlos auf mich ein, ich verstehe zwar nicht mal die Hälfte, aber verlasse den Baumarkt zwanzig Minuten später mit meiner gekauften Gasflasche (oder habe ich sie nur gemietet? Keine Ahnung), einem Druckregler, einem Extraschlauch und einem Adapter. Nichts davon passt jedoch, und enttäuscht schleppe ich die Flasche samt Zubehör quer durch Le Havre und zurück aufs Schiff. Sie passt in den Gasflaschenkasten, immerhin, aber anschließen können wir sie nicht. Im Internet lesen wir von einem Spezialadapter, nur wo sollen wir den herkriegen? Jaqueline macht sich mit einem Foto bewaffnet auf den Weg zum Segelgeschäft, allerdings erfolglos. Schließlich bekommen wir noch einen Tipp, ein Einkaufszentrum ein bisschen außerhalb der Stadt soll möglicherweise solche Adapter verkaufen. Wir kaufen uns Straßenbahntickets und stehen bald im größten Supermarkt, den wir je gesehen haben. Hier gibts wirklich alles, wir zeigen dem erstbesten Verkäufer das Handyfoto und er führt uns durch irgendwelche Gänge. Und wirklich, wir werden fündig! Jaqueline wäre dem verblüfften Verkäufer fast um den Hals gefallen, wir kaufen unseren Adapter (und noch einiges andere Zeugs dazu) und fahren zurück zum Hafen. Tatsächlich passt alles und wir können endlich wieder warm essen.
Am Nächsten Tag kommen meine Eltern Maria und Wolfgang in Le Havre an, sie werden uns ein bisschen begleiten. Leider haben sie mehrfaches Pech: zuerst hat der Flug Verspätung, das Gepäck erreicht den Anschlussflug nicht mehr und das Wetter verschlechtert sich. Der Wind wird stärker und es regnet häufig. An ein Weitersegeln ist nicht zu denken, unsere Gäste haben dafür das Vergnügen, Le Havre ganz genau kennenzulernen. Fast eine Woche sitzen wir fest, bis sich am Dienstag der Wind ein bisschen beruhigt. Der Wetterbericht verleitet uns jedoch dazu, noch einen Tag zu warten. Am Mittwoch ist der Wind dann wieder genauso stark wie zuvor, bei Hochwasser spritzen die Wellen bis über den Wellenbrecher in den Hafen.

Spleißen unserer neuen Ankerleine

Spleißen unserer neuen Ankerleine

Essen, diesmal regenbedingt unter Deck

Essen, diesmal regenbedingt unter Deck

Action am Wellenbrecher

Action am Wellenbrecher

Wolfgang genießt das Bordleben

Wolfgang genießt das Bordleben

Ausblick auf Le Havre

Ausblick auf Le Havre

starker Wind in der Hafenausfahrt

starker Wind in der Hafenausfahrt von Le Havre

Trotzdem wollen wir endlich weiter, unser Ziel heißt Cherbourgh, und wir lösen die Leinen. Jaqueline gibt Vollgas rückwärts gegen den Wind, trotzdem bewegt sich die SAILOR MOON nur in Zeitlupentempo vom Steg weg. Wir kommen aber ohne Schwierigkeiten aus dem Hafen, wo uns unangenehme Wellen genau von vorne erwarten. Langsam kämpfen wir uns hinaus, bis wir Segel setzen und wiedermal kreuzen müssen. Unser Ziel Cherbourgh geben wir bald auf, wir segeln die ganze Nacht hin und her, ohne Fahrt nach Westen zu machen. Der Wind wird schwächer, aber die Wellen sind ziemlich unangenehm, und unsere Gäste kämpfen etwas mit diesem harten Einstieg in den Segelalltag. Als es Tag wird, beschließen wir, nach Grandcamp zu segeln, eine kleine Marina in der Baie de la Seine. Allerdings merken wir bald, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen werden, und so ändern wir unser Ziel erneut und wollen nun nach Port-en-Bessin. Der Hafenführer bewertet diesen Fischerort eher schlecht, also steuern wir mit gedämpften Erwartungen durch die Einfahrt, passieren eine Drehbrücke und ein Fluttor und machen an einem kurzen Steg fest. Vierundzwanzig Stunden waren wir unterwegs, nach Westen haben wir gerade mal mickrige 25 Meilen geschafft. Aber immerhin, der Hafen wirkt nett und der Ort schön und uns gefällt es hier. Meine Eltern erforschen die Klippen, Jaqueline und ich schlafen uns etwas aus und räumen das Schiff auf. Am nächsten Tag wollen wir abends auf Wolfgangs Geburtstag anstoßen, aber in keinem Restaurant ist Platz, es sind unglaublich viele Leute am Hafen, um das angekündigte Feuerwerk zu bewundern. Nichtmal Pizza á emporter kriegen wir, trotz anderslautender Schilder vor den Pizzerias. So lassen wir den Abend bei Dosenbier und unglaublich süßen Chichis ausklingen, besser als nichts. Dafür haben wir die besten Plätze für das Feuerwerk, gemeinsam mit hunderten anderen Leuten auf der Kaimauer sind wir wirklich beeindruckt.

Die enge Hafeneinfahrt

Die enge Hafeneinfahrt

Feuerwerk

Feuerwerk

Die nächste Geburtstagsparty auf der SAILOR MOON

Die nächste Geburtstagsparty auf der SAILOR MOON

Nachtfahrten sind anstrengend

Nachtfahrten sind anstrengend

Die Klippen des Omaha Beach

Die Klippen des Omaha Beach

Chichi mit Bier

Chichis mit Bier

Heute Nachmittag wollen wir weiter nach St. Vaast, um das Kap de la Hague herum nach Cherbourgh trauen wir uns bei diesen Winden noch immer nicht, aber es soll bald besser werden.

Auf den Klippen über Port-en-Bessin

Auf den Klippen über Port-en-Bessin

Unser Boot im Hafen von Port-en-Bessin

Unser Boot im Hafen von Port-en-Bessin

Haufenweise Muschelschalen am Strand

Haufenweise Muschelschalen am Strand


5 Comments

  1. Heineken? Srsly?
    Endlich mal ein Wellenbrecher der seinen Namen verdient =)

  2. Erni Frühauf

    Haben gerade eure Berichte gelesen, wünschen unserem Kollegen Wolfgang nachträglich alles Liebe und Gute zum Geburtstag. Bei uns ist es sehr ruhig, er kann gerne noch eine Woche bleiben.
    Liebe Grüße an alle an Bord
    Sabine, Sabine & Erni

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